Quelle: „EWIV/EEIG/GEIE eJournal No.1, November 2000, LIBERTAS – Europäisches Institut GmbH Unter einem ähnlichen Titel erschien in Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) April 1994 erstmals ein Artikel von RA Hans-Jürgen Zahorka, der hier überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht wurde. Dabei wurde insbesondere den unternehmenspraktischen Erfahrungen Rechnung getragen. In der Europäischen Union steigt nach wie vor langsam, aber stetig das Interesse an der ersten und einzigen supranationale Gesellschaftsform der EWIV (Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung). Auf der Rechtsgrundlage der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 [1], nachstehend EG-VO genannt, sowie der fünfzehn nationalen Ausführungsgesetze [2] haben sich bis Mitte 2000 ca. 1150 derartiger Kooperationsformen mit mehreren tausend Mitgliedern EU-weit konstituiert. Wegen der engen Verflechtung der Wirtschaft der EU mit Drittländern stellt sich ständig die Frage, inwieweit die EWIV auf die EU beschränkt ist bzw. unter welchen Umständen Unternehmen aus Drittländern via EWIV „den Fuß in die Tür stellen“ können. So sucht z. B. nach wie vor die Schweizer Wirtschaft verstärkt nach Mitteln und Wegen, zumindest auf Unternehmensbasis in europaweite Kooperationsstrukturen integriert zu werden, aber auch mehr und mehr Unternehmen aus mittel- und osteuropäischen Ländern, z. B. EU-Beitrittsländern mit Europaabkommen, sind auf paritätischer Ebene zu westeuropäischen Partnerfirmen kooperationswillig und –fähig.
Die EWIV als neue Gesellschaftsform Als erster gemeinschaftlicher, also nicht einzelstaatlicher, Rechtsrahmen für die Kooperation vornehmlich von Klein- und Mittelunternehmen im Rahmen des Binnenmarkts der Europäischen Union ist die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung ursprünglich ein europäisches Transponat der französischen Gesellschaftsform GIE (groupement d’intérêt économique). Für die Verwirklichung des Binnenmarktes sollte für natürliche Personen, Gesellschaften und andere juristische Einheiten ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg erleichtert. Mit der EWIV ist eine unkomplizierte Gesellschaftsform entstanden, die nach den gleichen Grundregeln EU-weit gestaltet und geführt werden kann. Sie muss aus mindestens zwei Mitgliedern aus mindestens zwei Staaten der Europäischen Union bestehe0n [3]; die meisten EWIV sind in mehr als zwei Mitgliedsländern verankert. Der Gesellschaftszweck besteht allein darin, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern [4]. Die Tätigkeit der EWIV darf also nicht an die Stelle der Unternehmenstätigkeit der Mitglieder treten. Die Mitglieder selbst können natürliche Personen, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften, lokale oder regionale Gebietskörperschaften, eingetragene Vereine usw. sein [5]. Die Vereinigung darf nicht die Leitungs- oder Kontrollmacht über die eigenen Tätigkeiten ihrer Mitglieder oder anderer Unternehmen ausüben, sie unterliegt dem Beteiligungsverbot gegenüber Mitgliedsunternehmen (Holdingverbot), darf nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen (damit wurde ein deutsches Postulat im Hinblick auf die durch eine EWIV sonst mögliche Verhinderung der Mitbestimmung von Arbeitnehmern erfüllt) und nicht Mitglied einer anderen EWIV sein [6]. Ihrem Namen muss der Zusatz „Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung“ oder das Kürzel EWIV in der jeweils für den Sitzstaat relevanten EU-Amtssprache angehängt sein [7], z. B. GEIE in Frankreich oder Italien, EEIG in Großbritannien und Irland usw. Die Organe einer EWIV sind die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder und der oder die Geschäftsführer; auch andere Organe wie z. B. ein Aufsichtsrat sind möglich [8]. Die EWIV, die sich nicht öffentlich an den Kapitalmarkt wenden darf [9], ist überall in der Europäischen Union steuerrechtlich von besonderem Interesse: Das Ergebnis der Tätigkeit der Vereinigung wird nur bei ihren Mitgliedern besteuert [10], d. h. die EWIV als solche bleibt weitestgehend steuerfrei. Es handelt sich somit quasi um eine Non-Profit-Gesellschaft, deren Mitglieder analog den Verbraucherschutznormen z. B. im Produkthaftpflichtrecht einen umfassenden Gläubigerschutz gewährleisten müssen: Sie haften unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten jeder Art der Vereinigung [11]. Die Zahl der eingetragenen EWIV, die auch im EG-Amtsblatt S publiziert werden müssen, steigt rasch. Obwohl diese Gesellschaftsform sicherlich nicht für alle Konstellationen geeignet und effizient ist, zieht die Europäische Kommission nach den ersten Jahren eine positive Bilanz[12], und auch die Befassung in Wissenschaft und Publizistik der Disziplinen Rechtswissenschaft, Steuerrecht und -lehre sowie Betriebswirtschaft reproduziert das konstruktive Interesse an dieser Gesellschaftsform, die mangels einer Einigung auf eine EU-weite Rechtsgrundlage der Europa-AG (Societas Europeae = S.E.) bislang weltweit ein supranationales bzw. multinationales gesellschaftsrechtliches Unikat darstellt. Kleine und mittlere Unternehmen, die auch allein dadurch europäische Kompetenz dokumentieren, sind die größte Zahl von Mitgliedern von EWIV, insbesondere auch Freiberufler (Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater). So gibt es EWIV für gemeinsame Schulungsmaßnahmen, Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, Zusammenarbeit von Trickfilmzeichnern, zwischen Gemeinden und Skiliftbetreibern, von Regionalflughäfen in Grenznähe, für interregionale Zusammenarbeit von Industrie- und Handelskammern, für Vertriebskooperation, gemeinsamen Einkauf, Zusammenarbeit im technischen Prüf- und Zertifizierungswesen, für den Betrieb von Verkaufsbüros in Drittländern. Im europäischen Verbandswesen, zwischen anthroposophisch orientierten Finanzinstitutionen oder im Sektor Transport und Logistik wird in Form einer EWIV zusammengearbeitet, auch der deutsch-französische Fernsehkulturkanal Arte oder grenzüberschreitende Dienstleistungsangebote von Hochschulinstituten bedienen sich ebenfalls dieser Rechtsform, um nur einige Beispiele grenzüberschreitender wirtschaftlicher Kooperation zu nennen.
Die EWIV im EWR Nachdem diese Rechtsform ein Bestandteil des Binnenmarkt-Legislationspakets war und zwischenzeitlich auch in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union EWIV existieren, war es logisch, dass im Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der den Binnenmarkt auf die EFTA-Mitgliedstaaten „verlängerte“, das bestehende EU-Gesellschaftsrecht auch in den teilnehmenden EFTA-Staaten innerhalb des EWR Anwendung finden sollte. Nach Art. 77 EWR-Abkommen in Verbindung mit dessen Anhang XXII war die EG-VO von den EWR-Partnern aus der EFTA bis spätestens in zwei Jahren nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens umzusetzen in Finnland, Island, Norwegen, Österreich und Schweden; für Liechtenstein betrug die Übergangsfrist drei Jahre. Nachdem Finnland, Österreich und Schweden zum 1.1.1995 Mitglied der EU wurden, blieben aus der EFTA nur noch Norwegen, Island und Liechtenstein als EWR-Mitglieder. In Norwegen und Island sind zwischenzeitlich EWIV-Ausführungsgesetze verabschiedet worden, in Liechtenstein noch nicht. Dort müsste eine EWIV, die eingetragen werden will, nach ad-hoc-Vorschriften in Anlehnung an die EG-VO eingetragen werden. In keinem der drei EWR-Länder aus der EFTA gibt es jedoch bislang EWIV.
Sinn und Zweck der Teilnahme von Unternehmen aus Drittländern in EWIV Mitglieder einer Vereinigung können nach Artikel 4 Abs. 1 EG-VO nur Gesellschaften sowie andere juristische Einheiten des öffentlichen oder des Privatrechts sein, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen oder gesetzlichen Sitz und ihre Hauptverwaltung in der Europäischen Union haben. Wenn nach dem Recht eines Mitgliedstaats eine Gesellschaft oder andere juristische Einheit keinen satzungsmäßigen oder gesetzlichen Sitz zu haben braucht, genügt es, dass sie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft hat (Art. 4 Abs. 1a zweiter Halbsatz EG-VO). Mitglieder können ferner sein natürliche Personen, die eine gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit in der Gemeinschaft ausüben oder dort andere Dienstleistungen erbringen (Art. 4 Abs. 1 b EG-VO). Damit ist zunächst die Mitgliedschaft an eine physische Präsenz innerhalb der Europäischen Union gebunden. Grundsätzlich können somit Unternehmen mit Sitz in Drittländern nicht Mitglied einer EWIV werden. Im ersten Vorentwurf der EG-VO war noch die Möglichkeit beabsichtigt, dass auch Unternehmen aus einem Non-EG-Staat einer EWIV beitreten konnten, die allerdings notwendigerweise ihren Sitz innerhalb der EG haben sollte. Im zweiten Vorentwurf wurde aus Furcht vor Missbrauch, z. B. durch Gewinnverlagerungen in Drittländer, diese Möglichkeit eliminiert. Der multinationale Charakter auch innerhalb der EG-Mitgliedstaaten genügte zur Erfüllung des Gesetzeszwecks, nämlich der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Zwischenzeitlich wird als größte Schwachstelle der Verordnung bezeichnet, dass Unternehmen aus Drittstaaten völlig ausgeschlossen sind, was als negativer Faktor für die Verwendung der Rechtsform betrachtet wird [13].
Zu eng ist die Verflechtung von Unternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit solchen aus Drittländern, auch von außerhalb des EWR. So wurde bereits wiederholt innerhalb der EU bedauert, dass z. B. schweizerische Unternehmen nicht ohne weiteres EWIV-Mitglieder werden konnten. Umgekehrt mobilisieren sich auch schweizerische Unternehmen, die sogar vom EWR ausgeschlossen sind, mehr und mehr in Richtung europäischer Kooperation. Die unternehmensspezifische Eigeninitiative dient hier quasi als Kompensationselement für die durch das Referendum vom 6.12.1992 der staatlichen Ebene auferlegten Bremse zur legislativen Einbeziehung schweizerischer Wirtschaftsstrukturen in die europäische Integration. Ob der Kontaktausschuss gemäß Artikel 42 der EG-VO, quasi eine Instanz zur Evaluierung und allfälligen Revision des Rahmens der Gesellschaftsform, die die Kommission bezüglich Ergänzungen oder Änderungen der EG-VO beraten soll, hier Abhilfe schafft, kann noch nicht gesagt werden. In den sieben Bilateralen Verträgen, die im Mai 2000 vom Schweizer Stimmvolk gebilligt wurden, ist jedenfalls von einer derartigen gesellschaftsrechtlichen Zusammenarbeit nichts zu sehen, wohl bedingt durch Reserven aus der EU im Hinblick auf die Unternehmensbesteuerung in der Schweiz. In jedem Fall lohnt es sich für aus Drittländern stammende Unternehmen, zu prüfen, inwieweit sie über die nachstehenden juristischen und betriebswirtschaftlichen Hilfskonstruktionen an einer EWIV teilnehmen können. So ist derzeit ein bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union wegen der Ausdehnung des Geltungsbereichs der EG-VO auch über den EWR hinaus auf die Schweiz nicht anhängig. In den prioritären Bereichen für bilaterale Abkommen EU-Schweiz war für das Gesellschaftsrecht allgemein und die EWIV speziell kein Platz [14]. Wäre dies jedoch von der Schweiz gefordert worden, evtl. mit Unterstützung aus der Wirtschaft der EU, hätte die EWIV durchaus auch auf das Programm der EU-Schweiz-Abkommen kommen können. Auch bei anderen europäischen und außereuropäischen Drittländern außerhalb des EWR waren entsprechende Erwägungen nicht möglich, so z. B. im Falle der EU-Partnerstaaten für
Europäische Abkommen in Mittel- und Osteuropa.
Teilnahme als assoziiertes Mitglied Die Teilnahme eines assoziierten Mitglieds wird von der EG-VO oder einem nationalen Ausführungsgesetz nicht verboten. Eine Teilnahme eines assoziierten Mitglieds in Gleichstellung zu einem ordentlichen Mitglied ist jedoch aus der begrifflichen Einschränkung des Artikels 4 EG-VO nicht möglich. In der Praxis gibt es jedoch EWIV, die Mitglieder aus Drittländern als assoziierte Mitglieder beinhalten. Diese haben in der Regel laut Statut der Vereinigung (Gesellschaftsvertrag) kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung. Bei einvernehmlicher Lösung möglicher Meinungsdifferenzen dürfte hier in der Praxis kein Problem entstehen. Da es aber Beschlussfassungen gibt, die nur von Mitgliedern der Vereinigung durchgeführt werden können [15], muss man bei einer derartigen Lösung die Konsequenz sehen, dass man quasi zwei Klassen von Mitgliedern schafft. Aufgrund des gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Interesses aller Mitglieder wird dieses Problem in der EWIV-Praxis jedoch sowohl von assoziierten Mitgliedern von außerhalb der EU wie auch von Mitgliedern aus dem EU-Raum als sekundär betrachtet. Ferner ist eine direkte Haftung assoziierter Mitglieder gegenüber außenstehenden Gläubigern ausgeschlossen. Dennoch bietet sich diese Möglichkeit an, wenn z. B. der Zwang oder die Üblichkeit des Konsenses aus dem Kooperationsgegenstand oder der Konstellation der Mitglieder so weitreichend sind, dass entsprechende Verträge mit Außenstehenden abgeschlossen werden. Um Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Eintragung in das Handelsregister eines EU-Mitgliedstaates zu vermeiden, empfiehlt es sich bei einer derartigen Lösung, nähere Bestimmungen über die Mitwirkung assoziierter Mitglieder nicht im Gesellschaftsvertrag wiederzugeben, sondern diese einem Beschluss der Mitglieder zu überlassen.
Dabei kann diesen als zusätzliches Kriterium Pflicht zur Einstimmigkeit bei dieser Frage auferlegt werden. Vorliegende Erfahrungen zeigen, dass es umso weniger Probleme für die Integration assoziierter Mitglieder aus anderen Ländern gibt, wenn diese im Vergleich zu Mitgliedern aus der Europäischen Union eine starke wirtschaftliche Stellung inne haben, bzw. beidseitiges starkes wirtschaftliches Interesse an dieser Art der Mitgliedschaft vorliegt.
Die meisten EWIV haben mehrere Geschäftsführer, die oftmals auch in Personalunion ihre einzelnen Mitgliedsunternehmen vertreten. Nach Artikel 19 VO
werden die Geschäfte der Vereinigung von einer oder mehreren natürlichen Personen geführt, die durch Gründungsvertrag oder Beschluss der Mitglieder bestellt werden. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass Personen mit Staatsangehörigkeit bzw. permanentem Sitz in Drittländern Geschäftsführer werden. In der Tat gibt es bereits EWIV, von denen einer der Geschäftsführer z. B. in der Schweiz sitzt. Obwohl auch dies kein Ersatz für eine Vollmitgliedschaft ist, kann doch aus einer solchen Konstellation eine verstärkte Kooperation und Synergie zwischen Drittländern und in der EU sitzenden Unternehmen resultieren. Hier hängt viel von der betrieblichen Praxis der EWIV ab. Wegen des Sitzes der EWIV, der obligatorisch innerhalb der EU liegen muss[16], werden hier von vorneherein Zweifel geäußert, ob aus dieser Konstruktionfektive Zusammenarbeit möglich ist. Im Zeitalter elektronischer Kommunikation rund um die Uhr und weil auch Drittland-Unternehmen geographisch nicht weit von EWIV-Sitzen z. B. in Frankreich, Italien oder Deutschland bzw. z. B. Österreich sitzen können, können jedoch effiziente Kooperationsformen auftreten; so kann z. B. ein in der Schweiz ansässiger Geschäftsführer einer EWIV, die ansonsten innerhalb der EU operiert, auf diese Weise die EWIV in der Schweiz vertreten bzw. sein Unternehmen innerhalb der Vereinigung. GemäßVO kann im Ausführungsgesetz der nationalen Gesetzgeber vorgesehen werden, dass nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen Geschäftsführer sein können. In diesem Fall müssen sie eine oder mehrere natürliche Personen als Vertreter bestimmen, auch haften dieser oder diese Vertreter so, als ob er bzw. sie selbst Geschäftsführer der Vereinigung wären. Diese Möglichkeit gibt es z. B. in Frankreich, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Niederlande, Portugal, Spanien, nicht aber in Deutschland. Nirgendsgende Herkunft gebunden. Demzufolge könnte auch eine in einem Drittlandrung einer EWIV in zahlreichentaaten bestreiten, freilich wiederum vertreten durch eine oder mehrere natürliche Personen.
Aus der Sichtweise, dass Drittland-Unternehmen nicht ohne juristische Verrenkungen Mitglied einer EWIV sein können, die EWIV aber Joint Ventures eingehen darf, bietet sich auch die Möglichkeit eines Kooperationsvertrags oder Joint Venture zwischen einer EWIV und einem nicht in der EU sitzenden Unternehmen an. Die Tätigkeit einer EWIV wäre somit nicht auf die EU-Mitgliedstaaten beschränkt. So gibt es z. B. im Papiergroßhandel ein Joint Venture zwischen einer in den Niederlanden angesiedelten EWIV und einem schweizerischen Unternehmen. Letzteres wird als vollwertiges Mitglied der EWIV gesehen, mit denselben Rechten und Pflichten wie die anderen Mitglieder. Die theoretische Einschränkung, wonach Mitglieder einer EWIV nur Unternehmen aus der EU werden können, wird in diesem praktischen Fall übersprungen [17]. In den Kooperationsgebieten arbeitet das schweizerische Unternehmen vollwertig mit, z. B. bei Information und Koordination des Einkaufs, rationeller Lagerhaltung, zweckmäßiger Transport- und Organisationsstruktur, gemeinschaftlicher Personalschulung und Entwicklung von Softwareprogrammen, Kundenwerbung und Marktforschung, Informationsaustausch betriebsbezogener und allgemeiner Daten sowie Aufbau strategischer Lieferantenbeziehungen. In einer ausführlichen Evaluation der Tätigkeit der betreffenden EWIV wird von einem problemlosen Miteinander der Firmen gesprochen; kein Mitglied fühlt sich eingeschränkt oder verunsichert, weder durch die theoretischen Vorschriften noch durch das nationale Recht des Sitzstaates.
Als wirkliches Kooperationsinstrument helfe allgemein die EWIV den Unternehmen, noch rechtzeitig auf den „Bummelzug EG-Binnenmarkt“ aufzuspringen [18]. Wie die oben genannte Möglichkeit einer assoziierten Mitgliedschaft eines Drittland-Mitglieds bietet auch diese Möglichkeit eines Joint Venture- bzw. Kooperationsvertrages weitgehende rechtliche Gestaltungsfreiheiten, wobei die Teilnahme eines durch Kooperations- oder Joint Venture-Vertrag an eine EWIV gebundenen Drittland-Unternehmens einen periphereren Charakter kommt. Hier dürfte der Zwang zum Konsens innerhalb der EWIV, da das Joint Venture-Unternehmen kein assoziiertes Mitglied ist, kleiner sein, die Verbindung mithin etwas lockerer. Dies kann freilich auch eine ebenso effiziente Mitwirkung und Teilnahme an den EWIV-Aktivitäten bedeuten. An diesem Beispiel wird klar, dass es kein Allgemeinrezept gibt, sondern der individuelle Einzelfall und die konkrete Unternehmens- und Personensituation müssen der Maßstab sein.
Die Niederlassung einer EWIV innerhalb der Europäischen Union ist möglich und im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Artikel 7 Satz 2 b EG-VO geht von der Möglichkeit der Errichtung von Niederlassungen einer EWIV im Sitzstaat selbst aus, Artikel 10 von Niederlassungen der Vereinigung in anderen Mitgliedstaaten als dem des Sitzes, was sich aber auch schon aus der Niederlassungsfreiheit nach dem EWG-Vertrag ergibt. Auch eine Niederlassung in einem Drittland ist weder nach der EG-VO noch nach den nationalen Ausführungsgesetzen ausgeschlossen. Wenn sich aus dem Kooperationszweck der Vereinigung, z. B. mit Unternehmen aus Drittländern zu kooperieren, die Notwendigkeit ergibt, dort eine Niederlassung zu errichten, wird dies nach den in dem jeweiligen Drittland geltenden Vorschriften über die Niederlassung ausländischer Gesellschaften geregelt.
Auch in der Literatur zur EWIV wird von Anfang an von Zweitniederlassungen der EWIV im Ausland, aus Sicht der EU, ausgegangen [19]. Für die Niederlassung einer EWIV, die ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, z. B. in Malta gilt also das maltesische Niederlassungsrecht. Da keinerlei Eintragungs- oder sonstige Notifizierungspflicht für formelle Niederlassungen einer EWIV in Drittländern besteht, ist die Befolgung dieser Alternative schwer zu verfolgen. Denkbar ist also, dass zum Zwecke der Einbeziehung eines Drittland-Unternehmens in die Tätigkeiten einer EWIV, wenn auch nicht in deren legale Strukturen, bei einem solchen Unternehmen die Niederlassung dieser EWIV für das betreffende Land eingerichtet wird. Hierfür wären dann die einschlägigen lokalen Gesetze zu beachten.
Umgekehrt können selbstverständlich Drittland-Unternehmen auch von der Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union profitieren. Dabei sind jeweils Reziprozitätsregeln für die Niederlassung sowie die Vorschriften des betreffenden Zielstaates zu beachten. Sollte für ein solches Unternehmen die Mitgliedschaft in einer EWIV von derartig großem Interesse sein, dass es eigens innerhalb der EU eine Niederlassung gründet, um somit an einer EWIV teilnehmen zu können, wäre dies durchaus denkbar. Die Niederlassung müsste die Kriterien von Artikel 4 EG-VO erfüllen, d. h. es müsste eine natürliche Person sein (siehe nachstehend; in der Praxis kaum denkbar) oder, was für Unternehmen eher relevant ist, eine Gesellschaft oder eine andere juristische Einheit des Privatrechts, die nach dem Recht des betreffenden EU-Mitgliedstaats gegründet wurde und ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung in der EU hat. Wegen der erheblichen Gründungskosten ist es jedoch fragwürdig, ob lediglich zum Zwecke der Mitgliedschaft in einer EWIV ein Drittland-Unternehmen diese Anstrengungen unternimmt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es jedoch möglich, dass es solche Interessenlagen gibt. Insbesondere ist diese Möglichkeit überlegenswürdig für Drittland-Unternehmen, die bereits innerhalb der EU bestehen. So gab es z. B. zwischen Unternehmern aus der Republik China auf Taiwan, die in Deutschland ansässig sind, Diskussionen, ob taiwanesisch gehaltene Unternehmen in der EU sich nicht zu EWIV zusammenschließen könnten [20].
Nach Artikel 4 Abs. 1 b EG-VO können auch Mitglieder einer EWIV natürliche Personen sein, die eine gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit in der Gemeinschaft ausüben oder dort andere Dienstleistungen erbringen. Für den Begriff der gewerblichen Tätigkeit oder Dienstleistung wird ein weiter Begriffsrahmen gesetzt. Jede berufliche Tätigkeit im Sinne wirtschaftlicher Tätigkeit gemäß der EG-VO dürfte hierunter zu verstehen sein[21]. Diese Tätigkeit muss „in der Gemeinschaft“ ausgeübt werden bzw. dort müssen andere Dienstleistungen erbracht werden. Für freie Berufe, die einer Residenzpflicht unterliegen oder lokalisiert sein müssen, gelten weiter nationale Regelungen. Ein in einem Drittland residierender Rechtsanwalt, der deutsche Klienten in deren Unternehmen besucht, bleibt weiterhin Rechtsanwalt im Drittland und könnte demzufolge auf diese Weise nicht Mitglied einer EWIV werden. Aus den Gedanken des Artikel 4 Abs. 2 EG-VO, wonach EWIV-Mitglieder aus EU-Mitgliedstaaten kommen müssen, könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass nicht nur eine verhältnismäßig große Orientierung natürlicher Personen bezüglich deren wirtschaftlicher Tätigkeit in die EU gefordert wird, sondern die gesamte Tätigkeit gemeint ist[22]. Die gesamte Tätigkeit der im Sinne des Artikel 4 Abs. 1 b EG-VO arbeitenden natürlichen Person müsste also im Bereich der Europäischen Union absolviert werden. Ein Personalberater, Unternehmens-Consultant oder Handwerker müsste demzufolge bei Geschäftssitz in der Schweiz ausschließlich in der Europäischen Union tätig werden. Dann könnte er Mitglied einer EWIV werden. Es wäre gegebenenfalls eine gerichtliche Klärung wert, ob auf diese Weise z. B. in der Schweiz ansässige natürliche Personen der gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeitsorientierungen EWIV-Mitglieder werden können. Insbesondere ist die in der Literatur vertretene Beschränkung, wonach der Schwerpunkt der gesamten Berufstätigkeit innerhalb der EU liegen muss, diskussionswürdig. Sind bereits 51 % einer Tätigkeit ein Schwerpunkt, oder erfordert dies 75 %, oder wo ist die entsprechende Quote anzusetzen? Wenn das – vernünftige – Kriterium des Mittelpunktes der Tätigkeit, der in der EU liegen soll, angesetzt wird, würden 51 % genügen, gegebenenfalls aber auch eine relative Mehrheitsquote, z. B. minimal 34 % für den EU-Raum, wenn 33 % z. B. für die Schweiz und 33 % für andere Drittländer außerhalb des EWR, z. B. Osteuropa oder die USA, angesetzt werden. Es liegt im Sinne des Gesetzes, wenn der bloße Schwerpunkt der Tätigkeit, also die relative Mehrheit, im EU-Raum liegt. Ein enger angesetztes Kriterium wirkt in Ansehung des europäischen, Verflechtungen fördernden Kooperationszwecks zu einengend. Rechtsprechung zur EWIV gibt es jedoch bislang nur sehr spärlich, allenfalls zu bestimmten Besteuerungsfragen oder – in Deutschland – zur Frage der Firmierung als Sachfirma.
Perspektiven: Individualität bewahren, europäisch kooperieren
Die Stimmen z. B. in der deutschen Literatur sind verstummt, wonach der EWIV keine große Chance oder Bedeutung beigemessen wurde, weil sie nur in relativ kleiner Zahl gegründet wurde. Es durfte nicht erwartet werden, dass innerhalb von wenigen Monaten oder zwei bis drei Jahren beim oft verzögerten Inkrafttreten der einzelnen Ausführungsgesetze und entsprechenden steuerlichen Fragezeichen eine gewaltige Zahl von EWIV EU-weit gegründet wurde. Dennoch ist diese Gesellschaftsform als interessante Möglichkeit eines Kooperationsrahmens dabei, sich zu etablieren, in dem die Individualität der Mitgliedsunternehmen oder -institutionen bewahrt bleiben kann, aber dennoch konkrete europäische Kooperationsergebnisse erzielt werden können. Unternehmen aus Drittländern vor allem außerhalb des EWR, die sich im europäischen Binnenmarkt engagieren wollen und die gleichzeitig mit ihrer betrieblichen Initiative nicht warten möchten, bis von Staats wegen entsprechende Möglichkeiten eröffnet werden, sollten die sich ihnen bietenden Möglichkeiten der Teilnahme an einer EWIV eingehend prüfen. Viele Wirtschaftsteilnehmer aus solchen Ländern haben bereits Partner in der Europäischen Union. In Verbindung mit dem in der Wirtschaft oft üblichen Pragmatismus bieten die oben genannten Möglichkeiten „Ventilfunktionen“ für eine rechtlich in vollem Umfang nicht mögliche Teilnahme an dieser Gesellschaftsform. Die ersten Suchanzeigen von EWIV z. B. nach Schweizer Partnern in dortigen Zeitschriften sind bereits vor etlichen Jahren erschienen [23].
Hans-Jürgen Zahorka
[23]
So z. B. nach Rechtsanwaltskanzleien in der Schweiz, die einer in
Deutschland sitzenden EWIV beitreten sollen (Schweizerische
Juristen-Zeitung vom 1. November 1993)