7. EWIV-Praxiskonferenz am 22.9.2006 in Wien
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WIEN. Die österreichische Donaukapitale war in diesem Jahr der Ort der 7. EWIV-Praxiskonferenz. Die EWIV, oder Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, gibt es als EU-direkt regulierte Rechtsform seit 1989, in Österreich seit 1995. Ihre Stärke: mindestens zwei Organisationen aus zwei verschiedenen EU-Ländern müssen in ihr kooperieren. Ihre Schwäche: sie ist zu wenig bekannt. Karl G. Doutlik, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, begrüßte daher, dass diese Konferenz vom Europäischen EWIV-Informationszentrum in Wien abgehalten wurde. Dieses Zentrum entstand vor über 14 Jahren auf Initiative einiger Experten für EU-Gesellschaftsrecht, Steuer- und betriebswirtschaftliche Fragen.
Die 7. EWIV-Praxiskonferenz, gemeinschaftlich abgehalten von LIBERTAS – Europäisches Institut GmbH, jenem Think-Tank aus Deutschland, bei dem das Zentrum beheimatet ist, und der Wirtschaftskammer Österreich sowie dem dortigen Euro Info Centre (EIC AT 601), war vom Leiter eben dieses EIC, Mag. Heinz Kogler, eröffnet worden. Der Leiter des EWIV-Informationszentrum, Hans-Jürgen Zahorka, begrüßte die Tatsache, dass die ersten EWIV in den neuen Mitgliedsländern bereits dort eingetragen seien, insbesondere in Tschechien, Litauen und Polen. Zahlreiche Mitglieder aus diesen Ländern seien zudem in EWIV tätig, die ihren Sitz in der “alten EU” hätten. EWIV hatten sich in der Praxis voll bewährt – von der kleinsten Freiberufler-Kooperation bis zu großen, z. B. der Brenner Basistunnel EWIV oder dem deutsch-französischen Fernsehsender ARTE. Zahorka gab etliche praktische Hinweise für die Abfassung eines EWIV-Vertrags, um auch die steuerlichen Vorteile voll herauszuholen – eine EWIV ist nicht unternehmenssteuerpflichtig. Sie muss lediglich MwSt., soweit sie dazu verpflichtet ist, bezahlen.
Der Richter am Oberlandesgericht a. D. in Stuttgart, Christian Müller-Gugenberger, ein durch viele Publikationen zum Thema ausgewiesener Experte, behandelte die Frage der Haftung in EWIV. Die Tatsache, dass EWIV-Mitglieder gesamtschuldnerisch haften, habe sich in der Praxis als vertrauensbildend erwiesen. Dennoch kann eine EWIV vertraglich jede Haftungsminderung mit Dritten vereinbaren. Einer EWIV “mit beschränkter Haftung” als generellem Firmenzusatz, wie in der Vergangenheit mehrfach in deutsche Handelsregister eingetragen, erteilte er jedoch eine Absage – dies sei vom EU-Gesetzgeber nicht gewollt. Nationale Forschungseinrichtungen und EWIV war ferner das Thema von Rechtsanwältin Simone Taufenbach von der deutschen Leibniz-Gemeinschaft von Forschungseinrichtungen. Sie plädierte für diese Rechtsform zum Zwecke der Forschungskooperation, und zwar auch weil sie de facto rechtsfähig ist im Gegensatz zu einem losen Konsortium. Gleichzeitig will auch immer mehr die EU, aus gutem Grunde im übrigen, dass die Forschungskooperationen sich nach Auslaufen des Förderzeitraums verselbständigen. Simone Taufenbach ist Autorin einer in Deutschland vielbeachteten Studie zur Frage der Zugehörigkeit von Universitäten zu EWIV.
Mag. Ernst Strommer, Geschäftsführer einer der ersten EWIV in Österreich, von der European Railway Telecommunications EWIV (EURATEL) in Wien, informierte sodann die Zuhörer, die aus sieben Ländern gekommen waren, über die faktischen Kräfte einer solchen Rechtsform, die auch Einfluss auf Nichtmitglieder ausüben kann, wenn diese mitwirken. Er gab dabei ein beredtes Beispiel über die Schwierigkeiten bei der Gründung einer Organisation, die fast niemand kennt – ein oftmals mit Schmunzeln geteiltes Schicksal aus den Reihen der anwesenden EWIV-Geschäftsführer, die mit ähnlichen Erlebnissen aufwarteten: “Abgeleitetes EU-Recht ist manchmal nicht einfach, insbesondere wenn man es eben nicht kennt”. Dabei sei es im Grunde genommen sehr eingängig. Strommer zur Seite stand Dipl.-Ing. Karl Reiner, der Geschäftsführer der Wiener NETS EWIV (Netzwerk Europäischer Tourismus mit Sanfter Mobilität). Hierin sind vor allem österreichische, deutsche und schweizerische (als Assoziationspartner) Ferienziele vertreten, die z. B. per Bahntourismus erreichbar sind. Dipl.-Kauffrau Petra Sandner, Universität Leipzig, behandelte sodann die Aspekte der internationalen und nationalen Besteuerung von EWIV, bevor Elise Blais von INTERACT (Euregio Maas-Rhein-Büro in Maastricht) über die soeben beschlossene “Konkurrenz” zur EWIV berichtete, der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Bis September 2007 müssten hierzu die Mitgliedstaaten Ausführungsbestimmungen erlassen. Der EVTZ ist nur für öffentlich-rechtliche Mitglieder (im weiteren Sinne) zugänglich, die EWIV für alle. Einhellig wurde diese Initiative der EU von den Anwesenden begrüßt. Frank Keim MBA, Geschäftsführer einer deutsch-spanischen EWIV, informierte sodann die Konferenz über das Ergebnis einer Befragung von regional tätigen EWIV, deren hervorstechendstes Ergebnis die relative Zufriedenheit der Mitglieder mit ihrer rechtlichen Flexibilität war.
Schließlich wurde die Konferenz durch ein Forum zum Thema Osteuropa beendet, in dem Lucie Wachtlova (Prag) und Peter Cavojsky (Pressburg), beide als Rechtsanwälte tätig, über die Bedingungen der Eintragung von EWIV in ihren Ländern informierten. Gerinta Petruseviciene aus Vilnius/Litauen stellte ihre Open Europe Consulting EWIV vor, die sie als Geschäftsführerin leitet und die die zweite EWIV in den neuen Mitgliedsländern überhaupt war. Das Konzept des Europäischen EWIV-Informationszentrums, in allen geeigneten und interessierten EU-Ländern präsent zu sein, habe sich bewährt, so Ute Hirschburger, Geschäftsführerin von LIBERTAS, abschliessend zu dieser Konferenz. Die EWIV-Praxiskonferenzen hätten sich als Forum für EWIV-Geschäftsführer, Mitglieder und Interessierte und somit auch als Forum der europäischen Kooperation etabliert. Die EWIV sei die älteste EU-direkte Rechtsform, denen jetzt aber auch die Europa-AG (S.E.), die Europäische Genossenschaft und die oben erwähnte EVTZ folgten. Sie wies noch auf den Informationsbrief EWIV eJOURNAL hin, den jeder kostenfrei über das Internet beziehen könne (www.ewiv.eu).